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ZUR KAPITELAUSWAHL
Heinrich Himmler (1900–1945): Der Reichsführer-SS
Heinrich Himmler wurde – neben Adolf Hitler – zum Hauptverantwortlichen für den Terror gegen Andersdenkende, für den Holocaust und die Ermordung von Millionen Zivilisten und Kriegsgefangenen. Himmler trat der NSDAP bereits 1923 bei, war u.a. ab 1926 stellvertretender Reichspropagandaleiter und 1929 Reichsführer der SS (Schutzstaffel der NSDAP). Er stieg an die Spitze eines Machtzentrums im Deutschen Reich auf und verstand es, SS, Sicherheitsdienst (SD), Gestapo und Polizei unter seiner Leitung zu bündeln. In einer Geheimrede in Posen 1943 beschrieb er die Ermordung der Juden als große “Leistung”, die aber geheim bleiben solle.
Um seiner Gefangennahme zu entgehen, tauchte er im Mai 1945 unter. Er geriet aber in britische Kriegsgefangenschaft und nahm sich das Leben, als seine Identität entdeckt wurde.
Reinhard Heydrich (1904–1942): Der Chef des Reichssicherheitshauptamtes
Reinhard Heydrich kam aus einer musischen und gebildeten Familie in Halle an der Saale. Er wurde als SS-Obergruppenführer und General der Polizei Leiter des “Reichssicherheitshauptamtes” in Berlin. Heydrich verschickte am 29.10.1940 an das Auswärtige Amt die Mitteilung von der “reibungslosen” Abschiebung am 22. und 23. Oktober in die unbesetzte Zone Frankreichs. Von Hermann Göring wurde Heyrich im Juli 1941 beauftragt, die Pläne zur Ermordung der europäischen Juden zu entwickeln. Er war einer der Hauptverantwortlichen für den Holocaust und war dazu für zahlreiche Kriegsverbrechen in den von Nazideutschland besetzten Ländern verantwortlich. Am 20. Januar 1942 leitete er in Berlin die “Wannsee-Konferenz”, auf der die Pläne zur Deportation und Ermordung der Juden aus ganz Europa beraten und koordiniert wurden.
Im Mai 1942 verübten tschechische Widerstandskämpfer in Prag einen Anschlag auf ihn. Er starb wenig später an seinen Verletzungen. Reinhard Heydrich ist der einzige der Hauptverantwortlichen für die Verbrechen der Nationalsozialisten, der im Amt getötet wurde.
Adolf Eichmann (1906–1962): Der Organisator des Holocaust
Adolf Eichmann erlernte, ohne einen Schulabschluss erreicht zu haben, den Beruf des Mechanikers. Ab 1933 war er in Organisationen der Nationalsozialisten tätig und schon ab 1935 mit der Vertreibung und Enteignung der jüdischen Bevölkerung beschäftigt: zunächst in Berlin, dann ab 1938 in Wien (Österreich gehörte jetzt zum Deutschen Reich), später in Prag. Im Reichssicherheitshauptamt wurde er als Leiter des “Eichmannreferats”, der Abteilung IV D 4 (früher IV B 4) verantwortlich für die gesamte Organisation der Deportation von Juden aus Europa in die Tötungszentren der Nationalsozialisten im besetzten Polen. Auf der Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942 in Berlin arbeitete er Reinhard Heydrich zu und erstellte das Protokoll.
Wie er nach seiner Verhaftung in den Verhören in Israel berichtete, organisierte er auch die Deportation der badischen, pfälzischen und saarländischen Jüdinnen und Juden am 22./23. Oktober 1940. Er stand selbst an der Demarkationslinie zwischen dem besetzten und dem unbesetzten Teil Frankreichs und überwachte persönlich die Weiterfahrt der Züge mit den Deportierten nach Süden.
Robert Wagner (1895–1946): NSDAP-Gauleiter und Reichsstatthalter von Baden sowie Chef der Zivilverwaltung des Elsass
Robert Wagner wurde 1895 als Robert Heinrich Backfisch in Lindach bei Eberbach am Neckar geboren. 1914 brach Backfisch seine Lehrerausbildung ab, um sich als Freiwilliger zum Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg zu melden. Er stieg im Deutschen Heer auf und erhielt militärische Auszeichnungen. Die Niederlage Deutschlands 1918 und die schweren Folgen, die Deutschland mit dem Friedensvertrag akzeptieren musste, machten ihn zu jemanden, der Linke und Deserteure hasste. Er wurde von der Reichswehr übernommen und 1923 an die Infanterie-Schule nach München kommandiert. In München lernte er Adolf Hitler kennen. Zuvor hatte er den Geburtsnamen seiner Mutter Wagner angenommen. Seine Teilnahme am Hitler-Ludendorff-Putsch am 9. November 1923 und seine Untersuchungshaft in Landsberg brachten ihn in engste Verbindung und Freundschaft mit Hitler. 1925 gründete Wagner den Gau Baden der NSDAP, den er auch bis zum April 1945 führte. Schon im März 1933 bekam er höchste Befugnisse in Baden: Er wurde zunächst als Reichskommissar und dann als Reichsstatthalter eingesetzt. Sein zentrales Anliegen war der Kampf gegen die jüdische Bevölkerung.
Nach der Besetzung des Elsass und dem Waffenstillstand mit Frankreich im Sommer 1940 konnte Wagner seinen Macht- und Einflussbereich vergrößern: Er wurde zum “Chef der Zivilverwaltung” des quasi-annektierten Elsass ernannt. Sein Hauptziel war es, das Elsass wieder “deutsch”, und zwar zum “hervorragenden ersten Kulturzentrum des Deutschen Reiches” werden zu lassen (“Germanisierung”).
Seine Ziele im Elsass setzte er im sofort mit höchster Geschwindigkeit und Gewalt um:
Nach Kriegsende wurde Wagner im Juli 1945 in Stuttgart von den amerikanischen Streitkräften verhaftet und an die Franzosen ausgeliefert. Das Straßburger Militärgericht verurteilte ihn im Prozess im Frühjahr 1946 (nur) wegen der im Elsass begangenen Verbrechen zum Tod. Er wurde im August 1946 hingerichtet. Wagners letzte Worte bezeugen seine ungebrochene Verblendung: “Es lebe Großdeutschland, es lebe Adolf Hitler, es lebe der Nationalsozialismus. Unsere große Aufgabe hat nur kleine Richter gefunden. Nieder mit dem französischen Volk und seiner Rachejustiz. Es lebe das deutsche Elsass.”
Carl Dornes (1906–1980): Der Schreibtischtäter der Beraubung der Deportierten
Carl Dornes ist ein Beispiel für zahllose Menschen, die bereitwillig wichtige Rollen bei der Verfolgung der jüdischen Bevölkerung übernahmen, nach dem Kriegsende deswegen jedoch nie vor Gericht standen. Er stammte aus dem Odenwald und studierte Jura in Heidelberg. Als Student war er radikal für die Nationalsozialisten engagiert. Er trat in den Verwaltungsdienst ein und wurde Regierungsrat. Ab Mitte 1940 arbeitete er als Beamter der badischen Regierung in Karlsruhe. Schon am 23. Oktober, noch während der Deportation der badischen Jüdinnen und Juden ins Camp de Gurs, bestimmte Gauleiter und Reichsstatthalter Robert Wagner, dass sämtlicher zurückgelassener Besitz der Deportierten dem Land Baden gehöre. Die Koordination dieses gewaltigen Diebstahls wurde Carl Dornes als “Generalbevollmächtigtem für das jüdische Vermögen in Baden” übertragen. Diese Stelle gehörte zum Innenministerium. Ende 1940 fanden in Dörfern und Städten Versteigerungen der Besitztümer der jüdischen Familien statt. Fotos aus dem Stadtarchiv Lörrach zeigen das massenhafte Interesse der Bevölkerung, sich daran zu bereichern.
Karl Eisemann, ein jüdischer Jurist, der von der Deportation ausgenommen worden war und die Naziherrschaft überlebt hatte, äußerte sich 1963 positiv über Carl Dornes. Dieser habe sich auf seine Bitte hin dafür eingesetzt, dass die Breisacher Jüdinnen und Juden, die im August 1940 in die psychiatrische Klinik in Rouffach deportiert worden waren, wieder in ihre Häuser in Breisach zurückkehren konnten. Außerdem habe sich Dornes dafür eingesetzt, dass bei der Räumung der Häuser der Deportierten am 22. Oktober 1940 die Papiere, die für ein Verlassen des Lagers Gurs und für die Emigration notwendig, aber vergessen worden waren, gesammelt und nach Gurs geschickt werden konnten.
Diesen Hilfestellungen steht die Schuld gegenüber, die Ausraubung von mehr als 5.600 Menschen organisiert zu haben. Äußerungen von Carl Dornes zu seiner Verantwortung und Schuld und ein Bedauern sind nicht überliefert.
Josef Schillinger (1908–1943): Ein SS-Täter aus Breisach in Auschwitz
Josef Schillinger starb am 23. Oktober 1943 durch die Hand von Franciszka Mann. Sie war eine Jüdin aus Warschau, die aus dem Konzentrationslager Bergen-Belsen (Niedersachsen) in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau verlegt wurde. Am Tag der Ankunft des Transports in Auschwitz-Birkenau tat Schillinger seinen Dienst als “Rapportführer”: Er beaufsichtigte die Vorbereitungen zur Ermordung der Häftlinge in der Gaskammer. Er war bekannt als einer der brutalsten SS-Männer im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz.
Nach der Aufforderung der SS-Männer an Franciszka Mann und die anderen Frauen des Transports, sich im Auskleideraum des Krematorium II auszuziehen, gelang es ihr, einen SS-Mann anzugreifen und seine Pistole zu entwenden. Damit schoss sie um sich und verletzte Josef Schillinger tödlich. Der Kommandant des Konzentrationslagers, Rudolf Höß, wurde gerufen und ordnete die Niederschlagung des Aufstands an. Alle Häftlinge dieses Transports wurden ermordet.
Es gab Augenzeugen dieser Ereignisse, und wie eine Welle ging die Geschichte von Mund zu Mund. Vielen KZ-Häftlingen gab es neuen Mut, dass es einer Frau gelungen war, einen SS-Mann zu töten. Einer dieser Augenzeugen war der jüdische Häftling Filip Müller (1922–2013) im “Sonderkommando”. Nach dem Krieg berichtete er darüber ausführlich in seiner Biografie. Häftlinge der Sonderkommandos wurden bestimmt, bei der Überwachung der Tötung und der Entsorgung der Leichen aus den Gaskammern zu arbeiten. Um die Verbrechen geheim zu halten, waren diese Menschen zur Tötung vorgesehen. Nur wenige überlebten.
Im Jahr 2002 wurde auf dem Dorffriedhof Breisach-Oberrimsingen das Ehrengrab für Josef Schillinger (wieder-)entdeckt, der hier im Oktober 1943 mit militärischen Ehren bestattet worden war. Bis 2002 hatte sich niemand daran gestört, dass das Grab 60 Jahre lang regelmäßig mit frischen Blumen bepflanzt und Schillinger in das jährliche Gedenken an die Kriegstoten im November einbezogen wurde. Auf Initiative von Andreas Meckel wurde der Grabstein von Schillinger 2003 entfernt.
Serge Klarsfeld hat die Zusammenarbeit von deutschen und französischen Behörden bei der Verfolgung, Deportation und Ermordung der Jüdinnen und Juden in Frankreich erforscht und in seinem Buch “Vichy - Auschwitz” dargelegt.
Die deutschen Verantwortlichen, eine Auswahl:
Otto Abetz, 1940 bis Ende 1942 und nochmals ab November 1943 deutscher Botschafter in Vichy-Frankreich, hatte seinen Dienstsitz allerdings in Paris; er war ein energischer Initiator der Kollaboration und trieb die Judenverfolgung voran. Sein enger Mitarbeiter Ernst Achenbach war mitverantwortlich für die Deportationen.
Klaus Barbie leitete ab 1942 die Gestapo und Sicherheitspolizei in Lyon. Er war auch verantwortlich für die Deportation von jüdischen Kindern.
Werner Best war von 1940 bis 1942 Chef der Verwaltung beim deutschen Militärbefehlshaber in Frankreich.
Alois Brunner war unter anderem 1943 der Befehlshaber über das Konzentrations- und Sammellager Drancy, wo die Transporte in die Tötungszentren zusammengestellt wurden.
Theodor Dannecker, seit 1937 Mitarbeiter von Adolf Eichmann, war von September 1940 bis September 1942 “Judenreferent” bei der Gestapo Frankreich.
Helmut Knochen spielte als Befehlshaber der Sicherheitspolizei eine zentrale Rolle bei allen getroffenen Maßnahmen.
Carl Oberg, Höherer SS- und Polizeiführer in Frankreich, leitete den Kampf gegen die Widerstandskämpfer und war führend bei der Organisation der Deportationen.
Heinz Röthke wurde im September 1942 Nachfolger von Dannecker.
Otto von Stülpnagel war Militärbefehlshaber im besetzten Frankreich bis Februar 1942.
Carl-Heinrich von Stülpnagel, ein entfernter Verwandter von Otto von Stülpnagel, war von Februar 1942 bis Juli 1944 sein Nachfolger. Dann wurde er wegen seiner Verbindung zu den Hitler-Attentätern um Claus Schenk Graf zu Stauffenberg verurteilt und hingerichtet.
Beispielhaft wurde 1980 in Köln in dem Prozess gegen drei Verantwortliche ein Licht auf die personellen und organisatorischen Abläufe bei den Deportationen geworfen. Dieser Gerichtsprozess wurde neun Jahre lang gegen viele Widerstände beharrlich von Beate und Serge Klarsfeld gemeinsam mit Überlebenden vorbereitet:
Die französischen Verantwortlichen, eine Auswahl:
René Bousquet war Generalsekretär der Polizei der Vichy-Regierung.
Pierre Laval, zunächst Vize-Ministerpräsident der Vichy-Regierung, war als Befürworter der Kollaboration mit Deutschland und auf Druck der Naziführung ab April 1942 Regierungschef.
Jean Leguay war Stellvertreter von Bousquet in der besetzten Zone und dort beteiligt an den Judenrazzien.
Philippe Pétain war Staatschef in Vichy.