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Vor Beginn des 14. Jahrhunderts ließen sich einige Juden als Geldverleiher in der freien Reichsstadt nieder und gründeten eine Gemeinde auf dem Münsterberg. Hier lebten jüdische Familien in direkter Nachbarschaft mit christlichen. Die Geschichte dieser ersten jüdischen Gemeinde endete 1349 gewaltsam: Wie in zahllosen Orten in ganz Europa wurden nach Ausbruch der Pest alle Jüdinnen und Juden der Stadt verbrannt. Eine zweite jüdische Gemeinde wurde 1376 gegründet, ihre Mitglieder wurden aber schon 1424 wieder vertrieben.
Abb.: Festungsplan von Breisach, 1698, Stadtarchiv Breisach.
1640 eroberte und besetzte Frankreich Breisach und löste damit die lange Herrschaft Österreichs ab. Nun entstand eine neue jüdische Gemeinde. Diese Juden arbeiteten zunächst im Dienst der französischen Armee, z.B. als Pferde- und Getreidehändler. Die Gemeinde hatte aber auch Bestand, nachdem Breisach wieder zu Vorderösterreich und dann zum Großherzogtum Baden gehörte. Sie gestaltete über dreihundert Jahre lang das wirtschaftliche und soziale Leben der Stadt mit.
Ihre Blütezeit hatte die Gemeinde Mitte des 19. Jahrhunderts, als jeder fünfte Stadtbewohner jüdischer Herkunft war (517 von 2.585 Personen, 17 %). Nach der rechtlichen Gleichstellung 1862 erlebte die Stadt Breisach ebenso wie Dörfer mit jüdischen Gemeinden eine Abwanderung in die Städte: Im Jahre 1933 wohnten noch 80 jüdische Familien in der Stadt (7 % der Bevölkerung). Die meisten lebten in der Unterstadt am nördlichen Fuß des Breisacher Berges. Meist waren sie im Zwischenhandel (Holz-, Vieh- und Pferdehandel) tätig oder besaßen Geschäfte für Eisenwaren, Textilien und Lebensmittel. Zu den Gründern im 17. Jahrhundert gehörten die Familien Geismar, Wurmser und Günzburger, ihre Nachkommen waren auch im 20. Jahrhundert hier zu finden.
Über einhundert Jahre lang bestattete die Breisacher Gemeinde ihre Verstorbenen im “Judengarten”, auf dem Friedhof im Wald nahe dem elsässischen Mackenheim. Dieser Verbandsfriedhof diente acht jüdischen Gemeinden als Begräbnisplatz. Kriege und Belagerungen hatten jedoch für die Gemeinde die Folge, dass sie Mackenheim nicht mehr erreichen konnte. Sie musste deshalb andere Orte für die Bestattung ihrer Verstorbenen wählen, z.B. Emmendingen und Schmieheim. Erst 1755 bekam sie die Genehmigung, einen Friedhof in Breisach direkt hinter der Synagoge anzulegen. Noch ein zweiter Friedhof wurde notwendig und ab 1870 belegt (Isenberg).
Abb.: Niederlassungen von jüdischen Familien 1716/1717 in Müllheim, Sulzburg, Emmendingen, Ihringen, Lörrach und Eichstetten.
Josef Günzburger (1727 gestorben und in Mackenheim im Elsass begraben) und seinen guten Beziehungen zum Markgrafen von Baden Karl Wilhelm ist die Gründung der anderen südbadischen jüdischen Gemeinden nach 1716 in Emmendingen, Sulzburg, Müllheim, Lörrach, Ihringen und Eichstetten zu verdanken. Hier durften sich Verwandte und Knechte von Josef Günzburger niederlassen, später jüdische Flüchtende aus der Nordschweiz und dem Elsass. Günzburger war gegenüber dem Markgrafen für den Eingang der Schutzgelder (eine jährliche “Steuer”) verantwortlich.
Vier Generationen Günzburger hatten das schwierige Amt des Vorstehers (Parnass) der jüdischen Gemeinde Breisach inne: Vor Josef waren es sein Großvater David und sein Vater Marx und nach ihm zwei seiner Söhne.
Abb.: Bezirksrabbiner Moses Reiss (Karlsruhe 1802–1878 Breisach) und seine Frau Babette geb. Burger
(Eichstetten 1813–1890 Breisach), Gemälde von Georg Balder, 1874.
Die vollständige Zerstörung Breisachs durch französische Truppen 1793 verursachte bei Christen und Juden gleichermaßen Leid und Armut. Es dauerte lange, bis die Häuser wieder aufgebaut werden konnten und sich das Leben normalisierte.
Das Bezirksrabbinat war ab 1825 in Breisach eingerichtet. Moses Reiss aus Karlsruhe (1802–1878) hatte dieses Amt mehr als 40 Jahre lang inne und lebte mit seiner Familie in Breisach. Nach seinem Tod hatte das Bezirksrabbinat seinen Sitz in Freiburg. Dorthin zogen Jüdinnen und Juden nach 1862 nicht nur aus Breisach. Auch aus anderen Gemeinden am Oberrhein und der Ortenau suchten sie in größeren Städten Bildung für ihre Kinder und die Möglichkeit, ihre wirtschaftliche Situation zu verbessern.
In Freiburg gründete sich 1870 eine jüdische Gemeinde. Der jüdische Friedhof in der dortigen Elsässer Straße ist heute ein “Zeuge” dieser Entwicklung, denn die Gründergeneration aus den Landgemeinden ließ sich hier bestatten.
Nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) wurde am Fuß des Münsterberges ein kleines zweistöckiges Haus gebaut, das sich im Stadtgraben an die alte Stadtmauer aus dem 14. Jahrhundert anlehnte. Der Bau einer gewaltigen, nach Osten ausgerichteten Festung unter französischer Herrschaft durch Ludwig XIV. machte die alte Stadtmauer später überflüssig.
Nach einer Erweiterung des Gebäudes hatte es seit 1691 als Gasthaus St. Peter christliche Eigentümer und lag mitten im jüdischen Viertel. So blieb es 140 Jahre lang.
Abb.: Familie Eisemann, von links nach rechts, Ludwig, Michael und Clara,
Franziska Schmidt, die Haushälterin, und Rolf, 1931.
Mit dem badischen Judenedikt von 1809 wurde den jüdischen Gemeinden gestattet, eigene Schulen zu errichten, sofern sie die Kosten dafür übernahmen. Deshalb erwarb die jüdische Gemeinde 1829 das heutige Blaue Haus, um eine Elementarschule für ihre Kinder einzurichten.
1876 wurden in Baden die katholischen, evangelischen und jüdischen Schulen von Simultanschulen abgelöst. Außer den Religionsstunden wurde der gesamte Unterricht den christlichen und jüdischen Kindern gemeinsam erteilt. Daraufhin wurde die ehemalige Schule seit etwa 1880 zum Gemeindehaus, in dem die Kantoren mit ihren Familien lebten. Im Jahr 1923 übernahm Michael Eisemann das Amt des Kantors und leitete die Gemeinde. Mit seiner Frau Clara und den Söhnen Rolf und Ludwig zog er aus Buchen im Odenwald nach Breisach. Als Haushälterin arbeitete Franziska Schmidt, eine Christin. Das Haus war gleichzeitig Wohnhaus der Familie Eisemann und Gemeindehaus. Hier tagte der Synagogen-Rat und wurden die Kinder in der hebräischen Sprache unterrichtet und auf ihre Bar Mizwa oder Bat Mizwa vorbereitet. Im Garten wurde geschächtet.
Während der Evakuierung Breisachs ab September 1939 war das Gemeindehaus zunächst verwaist. Bei der Rückkehr der jüdischen Familien aus der Evakuierung Anfang Juli 1940 bis zur Deportation nach Rouffach und nach der Rückkehr von dort, wurden hier die letzten Gottesdienste am Schabbat und zu den hohen Feiertagen gefeiert.